Der Doppeladler war ein Grund, warum wir nicht weiterkamen
Die Auslandprofis Granit Xhaka und Lia Wlti erklren das Fussballjahr 2018.
Granit Xhaka und Lia Wlti diskutieren im Interview uber das Fussballjahr 2018. Bild: Britta Jaschinski/laif
Lia Wlti, Granit Xhaka, Doppeladler ist das Wort des Jahres 2018 ...
Granit Xhaka: ... das wollte ich eigentlich noch auf Instagram posten, habe es dann aber doch lieber gelassen. (lacht) Aber schon speziell, dass mit einem halben Jahr Versptung doch noch gewurdigt wird, welchen Beitrag wir zu einer Diskussion geleistet haben, die wichtig ist fur die Schweiz.
Was braucht es, bis mal der Frauenfussball ein Wort des Jahres kreiert?
Lia Wlti: Ich denke nicht, dass es je so weit kommen wird. Eigentlich waren wir Schweizerinnen in den letzten Jahren ja sehr erfolgreich. Und doch ist relativ wenig passiert. Sei es vom Verband aus, was er investiert, aber auch vom Interesse der Leute her. Und wenn es bis jetzt nicht passiert ist ...
Die Schweizer Frauen haben im abgelaufenen Jahr die Qualifikation fur die WM knapp verpasst, die Mnner den WM-Viertelfinal. Wie gehen Sie beide mit Enttuschungen um?
Xhaka: Ich drehe den Spiess mglichst schnell um, ich lerne daraus und kann so sehr oft etwas Gutes mitnehmen.
Wlti: Ich habe mich immer wieder gefragt, wie ihr mit dieser Enttuschung umgegangen seid, was ich gemacht htte, wenn die ganze Schweiz (sie formt mit den Hnden den Doppeladler) ... Ich war an dem Tag beim Blick-Talk mit Ottmar Hitzfeld. Und es ging so sehr nur darum (sie macht wieder den Doppeladler) , dass ich mich gefragt habe, was da gerade geschieht. Ich wurde gefragt, wie ich mit der Situation umgehen wurde, und hatte keine Ahnung. Ich denke, dass mich so etwas richtig runterziehen wurde. Gut, du warst ja wenigstens nicht alleine, ihr wart drei.
Xhaka: Ja, der Captain war noch mit dabei. (schmunzelt)
Wlti: Aber habt ihr es damals auch so mit Humor genommen?
Xhaka: Also Steph (Stephan Lichtsteiner, Red.) hat uns schon ein bisschen gerettet.
Wlti: Schon, oder?
Xhaka: Da muss man ehrlich sein. Wenn Steph das nicht auch gemacht htte, dann htte es auch anders weitergehen knnen. Er zeigte eine unglaubliche Solidaritt.
Das war sicher mit ein Grund, warum wir den Viertelfinal nicht erreicht haben. Alles drehte sich nur noch um den Jubel.Granit Xhaka
Warum sprechen Sie eigentlich bei diesem Spiel von Enttuschung, Lia Wlti? Die Schweizer haben gegen Serbien ja 2:1 gewonnen?
Wlti: Eben darum. Es ging ja nur noch um den Jubel. Mich hat das sowieso genervt. Emotionen im Spiel kannst du nicht immer steuern. Du kannst sie oft auch nicht erklren. Und viele, die daruber sprechen oder schreiben, waren selbst noch nie in einer derartigen Extremsituation. Irgendwie kann ich es aus Sportlersicht also nachvollziehen. Und doch frage ich mich: Wie geht man damit um? Klar, so eine Situation kann dich strker machen als Person, als Spieler vielleicht sogar als Verband.
Haben denn die Diskussionen dazu gefuhrt, dass das Team strker zusammengeruckt ist?
Xhaka: Jein. Ich denke, das Ganze war sicher mit ein Grund, warum wir den Viertelfinal nicht erreicht haben. Es ging nur noch um diesen Jubel. Was mich am meisten enttuscht hat: Warum schreibt man nicht uber unseren Sieg? Nein, es wurde nur daruber, daruber, daruber gesprochen. Ich wurde nicht sagen, dass es zwischen uns Spieler kam. Aber du spurst halt schon, wie viel sich nur noch um dieses eine Thema dreht.
Wie fuhlten Sie sich als Auslser?
Xhaka: Das Ganze kam aus den Emotionen, war uberhaupt nicht geplant. Ich htte nie gedacht, dass ich je einen kompletten Blackout haben knnte und einfach alles vergessen wurde, was links und rechts ist.
Was braucht es, um sich auf dem Fussballplatz vllig zu vergessen?
Wlti: Im Mnnerfussball ist halt alles noch einmal grsser. Ich denke nicht, dass im Frauenfussball diese krassen Emotionen drin sind. Das hat auch damit zu tun, dass bei euch Millionen von Menschen zuschauen, was bei uns halt nicht der Fall ist. Aber manchmal braucht es auch gar nicht eine familire Vorgeschichte oder viele Zuschauer. Da bist du einfach in einem wichtigen Spiel, kannst die Partie in einer Situation entscheiden, da gibt es nur noch diesen einen Moment, und du vergisst alles um dich herum. Ich wollte auch nicht alte Wunden aufreissen.
Xhaka: Nein, nein. Wir knnen daruber doch offen sprechen. Was ich einfach erwarte von den Leuten, ist ein gewisses Verstndnis.
Aber knnen Menschen, die nie in Ihrer Situation waren, verstehen?
Xhaka: Achtzig Prozent der Schweizer knnen es nicht. Ach, nicht nur der Schweizer, die allermeisten Menschen kein Vorwurf knnen dies nicht. Und wenn man die Hintergrunde nicht kennt, ist es auch schwer, gewisse Dinge nachzuvollziehen.
Lia Wlti, Sie haben keinen Migrationshintergrund. Verstehen Sie?
Wlti: Ja. Also nicht die politischen Hintergrunde. Aber wenn du in einem Buro arbeitest, hast du keine Kamera, die dich stndig beobachtet. Dort machen die Menschen auch Fehler, man sieht sie einfach nicht. Auf dem Fussballplatz aber wird jede Bewegung verfolgt. Jeder macht im Alltag Dinge, von denen er lieber htte, dass nicht alle Leute sie sehen, kommentieren und werten.
Aber vielleicht ist das die Aufgabe des Fussballs? Dass er Dinge sichtbar macht, die schon lange unausgesprochen im Raum schweben? Und dann reden endlich mal alle uber ein Thema, das sehr wichtig ist, wie in diesem Beispiel Integration.
Wlti: Also ich fand, dass etwa direkt in diesem WM-Studio nach dem Spiel keine gute Diskussionskultur herrschte. Da ging es irgendwie nur um Polemik. Schade, das Thema ist ja ein wichtiges fur die Schweiz.
Und sonst in Ihrem Umfeld, in Ihrer Familie?
Wlti: Mein Vater ist sowieso ein Fan der Secondos. Wir alle wissen ja, dass die Schweiz im Fussball ohne sie nicht da wre, wo sie jetzt ist. Wenn du die Nachwuchsteams anschaust: Da sind viele Spieler Doppelburger. Das ist auch ein Spiegel unserer aktuellen Gesellschaft. Wobei du bist ja gar kein Doppelburger, oder, Granit?
Xhaka: Nein.
Wlti: Eben, das wissen die meisten ja gar nicht. Man nimmt einfach irgendwie alles, was man gegen euch verwenden kann. Aber wenn die Schweiz Erfolg hat, seid ihr wieder ...
Xhaka: ... die Guten ...
Wlti: ... genau. Aber das ist halt so eine Story, von der ich nicht weiss, ob sie sich jemals ndern wird.
Wie gehen Sie mit der Wut um, die sich via die sozialen Medien uber Ihnen entldt?
Xhaka: Das gehrt dazu. Nach dem Serbienspiel erhielt nicht nur ich viele Nachrichten, sondern die ganze Familie. Du musst vorher uberlegen, ob du uberhaupt auf sozialen Medien unterwegs sein willst. Und wenn ja, musst du mental stark sein. Denn du liest den Scheiss ja auch also ich lese ihn , und wenn einer da mental nicht bereit ist, wurde ich ihm empfehlen, gleich ganz auf Social Media zu verzichten.
War die Diskussion nicht etwas weniger gehssig als fruher? Es gab immerhin die ironische Brechung, als Kinder und Grumpelturnier-Kicker den Doppeladler machten.
Xhaka: Im Team haben wir zunchst daruber gelacht. Wirklich! Gleich darauf hat ein Spieler von Saudiarabien den Doppeladler gemacht, Axel Witsel macht ihn seit Jahren. Und dann bekommst du Videos von Freunden geschickt: Schau mal, hier macht einer den Doppeladler und spielt in der zehnten Liga. Es gibt schon viele Leute, die es von der leichten Seite genommen haben. Aber es gab einige, die so lange so tendenzis daruber berichtet haben, bis es eskaliert ist.
Die Schweizerinnen haben bislang zwei grosse Turniere erreicht. Beide Male wurde medial das Outing einer lesbischen Spielerin thematisiert.
Wlti: Und das hat das Team auch beeinflusst. Es ging nur noch um dieses Thema. Eigentlich war es das Gleiche wie bei euch beim Doppeladler einfach in einem etwas anderen Ausmass.
Ein anderes Ausmass haben auch die Geldflusse. Was ungleichen Lohn fur dieselbe Arbeit betrifft, sind Sie wohl zwei Extrembeispiele.
Wlti: Die Summen, die derzeit im Mnnerfussball herumgeboten werden, sind immens. Ich erwarte nicht, dass ich je so viel Geld verdiene, und bin mir auch sicher, dass das alleine nicht glucklich macht. Mittlerweile knnen Frauen hier in England vom Fussball leben. Das war ein Schritt, der kommen musste, weil das Niveau des Frauenfussballs sonst nie steigen wurde. Aber schauen Sie die Schweiz an: Meine Schwester spielt in der Nationalliga A und muss daneben hundert Prozent arbeiten. Deswegen wird sich der Schweizer Frauenfussball auch nie gross weiterentwickeln.
Die Frauen werden den Lohnruckstand also nie aufholen?
Wlti: Lohngleichheit zwischen Mnnern und Frauen wird im Fussball nie ein Thema sein. Wer von den Mnnern interessiert sich wirklich fur Frauenfussball? Ich bin auch ganz ehrlich: Wenn ich whlen kann, ob ich einen Mnnermatch in der Champions League schauen kann oder einen der Frauen, dann schaue ich auch das Mnnerspiel. Darum verstehe ich auch, dass Mnner, die immer nur Mnnerfussball schauen, denken, Frauenfussball sei langweilig. Weil du es einfach nicht vergleichen darfst. So, wie du auch Frauentennis nicht mit Mnnertennis vergleichen darfst. Ich denke, wir knnten viel eher Leute erreichen, die sich bislang gar nicht so fur Fussball interessierten und dann mal an ein Frauenspiel gehen. Und die dann sagen: Es wird weniger theatralisch gespielt als bei den Mnnern, es geht mehr um den Fussball.
Man musste die Mnner vielleicht auch mal fragen, ob sie sich furs Playgirl ausziehen.Lia Wlti
Nervt es Sie also nicht, dass Sie als Captain von Arsenal so viel weniger verdienen als Granit Xhaka, der ja im selben Verein spielt?
Wlti: Ich weiss gar nicht, ob ich den Traum htte, Profi bei den Mnnern zu sein. Einerseits schon, klar. Aber wir Frauen knnen zum Beispiel ohne Probleme am Samstag mal Party machen, wenn wir kein Spiel haben. Und bei euch? Es ist doch eben wieder was ffentlich geworden von Mesut zil im Ausgang, oder? Da bin ich lieber im Frauenfussball und lebe etwas bescheidener. Die Mnner knnen ffentlich gar nichts machen. Ich bin froh, kann ich machen, was ich will. Mich kennt niemand, und niemand verurteilt mich.
Jetzt mal ehrlich: Ist das Leben als Fussballprofi wirklich so schlimm?
Xhaka: Du bist halt jeden Tag unter Druck. Wenn du mal rausgehst, kannst du nicht sein, wie du wirklich bist. So, wie du sein mchtest, bist du eigentlich nur, wenn du zu Hause bist und die Tur abschliesst. Alles, was ausserhalb der Haustur passiert, ist vor allem Show.
berlegen Sie sich also, bevor Sie aus der Haustur gehen, welche Rolle Sie darbieten wollen?
Xhaka: Nein, das nicht. Ich gehe zu Tesco oder zu Sainsbury einkaufen, ich schiebe brav mein Wgelchen, alles ganz normal, kein Problem. Ich versuche zu sein, wie ich bin. Aber es gibt wirklich Fussballer, die sich verstecken, die sich die Einkufe nur nach Hause bestellen. Wenn ich in die Stadt gehe, verstecke ich mich unter einer Mutze. Wenn dann einer kommt und ein Foto mit mir machen will, stehe ich gerne hin. Bei zwei, drei auch noch. Aber wenn es mehr werden, uberlegst du dir schon: Soll ich weitergehen, soll ich wieder nach Hause? Wissen Sie, was ich meine?
Im Gegenzug mussen Sie anders als die Frauen bei einer Verletzung nicht um Ihren laufenden Vertrag furchten. Durch die Football Leaks wurde bekannt, dass in England Spielerinnen nach drei Monaten gekundigt werden durfen, wenn sie lnger verletzt sind.
Wlti: Also ich habe eine Extraklausel in den Vertrag schreiben lassen, damit das nicht geschehen kann.
Xhaka: Habe ich das richtig verstanden? Man kann euren Vertrag auflsen, wenn ihr lnger verletzt seid?
Wlti: Ja, aber nicht jeder Verein macht das. Im Endeffekt sind es nur wenige, die diesen Vertragspunkt umsetzen. Aber das ist halt wieder so etwas, das aufzeigt, wie weit der Frauenfussball vom Mnnerfussball entfernt ist.
Und wie steht es mit sexistischen Witzen uber Frauenfussball? Ist wenigstens das besser geworden?
Wlti: Ich habe bei YB bei der U-16 mit den Jungs gespielt und musste mich bei den Spielen jeweils fruher als die anderen in der Garderobe umziehen. Da konntest du sicher sein, dass funfmal unter einem Vorwand die Tur aufging, wenn du dich umgezogen hast. Ich glaube, heute ist Frauenfussball in der Gesellschaft breiter akzeptiert, dadurch ist es auch besser geworden. Und wenn trotzdem mal ein dummer Spruch kommt, kann ich damit umgehen.
Trotzdem, Granit Xhaka: Wann wurden Sie das letzte Mal gefragt, ob Sie twerken knnen? So, wie es Ada Hegerberg ergangen ist, als Sie den Ballon d'Or erhalten hat?
Xhaka: Puuh, tanzen und ich ... Ich kann gar nicht tanzen, zum Beispiel. Aber fur mich war die Frage eigentlich gar nicht so schlimm, sage ich ganz ehrlich. Fur dich schon?
Wlti: Es geht doch darum, dass man einem Mann so eine Frage gar nie stellen wurde. Man wurde nie einen Weltfussballer fragen, ob er twerken kann.
Xhaka: Aber sie sagt doch selbst, dass ubertrieben war, was danach alles geschrieben wurde ...
Wlti: Ich habe mit ihr zusammengespielt. Und sie war genau die richtige Person fur so eine Frage, denn sie ist knallhart. Ja, sie sagte danach, dass sie die Frage in dem Moment gar nicht so wahrgenommen habe ...
Xhaka: ... genau das meine ich.
Wlti: Wenn du es aber auseinandernimmst, dann ist fur mich klar: Einen Kylian Mbapp wurdest du in diesem Moment nie so etwas fragen.
Xhaka: Aber in dem Moment nimmst du es eben gar nicht so wahr ...
Sie haben sich vorhin daruber beklagt, dass Ihre sportlichen Erfolge wegen des Doppeladlers zu wenig gewurdigt worden seien. Und jetzt finden Sie es okay, wenn die Weltfussballerin im Moment der Preisubergabe zu lasziven Huftbewegungen befragt wird?
Xhaka: Ich habe das Ganze auch nur gelesen. Und eben auch, dass sie es als nicht sooo schlimm empfunden hat.
Wlti: Verruckt ist, dass es am Ende sogar die Aufmerksamkeit fur den Frauenfussball gesteigert hat. Obwohl es etwas war, das eigentlich nicht htte so laufen sollen.
Aber was sagt das aus, wenn der Frauenfussball so etwas braucht, um in die Schlagzeilen zu kommen: Twerken, Outings?
Wlti: Man musste vielleicht die Mnner mal fragen, ob sie sich furs Playgirl ausziehen. In der Bundesliga erhlt ja praktisch jede dritte Spielerin eine Anfrage des Playboy.
Was bekommen Sie eigentlich von den Brexit-Diskussionen mit? Sie als Auslnder knnten von den Folgen direkt betroffen sein.
Xhaka:a Boah jeder sagt etwas anderes. Naturlich diskutieren wir daruber in der Kabine, aber keiner weiss, was es genau bedeuten wird. Ich glaube eher nicht, dass ich morgen ein Visum brauche, wenn ich hier spiele. Aber vielleicht meine Frau und mein Vater.
Wlti: Du kannst nur spekulieren. Ich denke, fur die Frauen, die bereits hier spielen, ist das nicht so gefhrlich. Es betrifft wohl eher jene, die noch nach England kommen mchten. Ich glaube, meinen Berater beschftigte das zuletzt mehr. Er machte sich Sorgen wegen der Arbeitsbewilligung.
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It's easy to register there, just try. Interview is nice, but not easy to mak a summary.
i did, here for the others:
Es ist scheissegal, wie und was man lebt zwei Fussballerinnen reden uber ihre Beziehung
Ramona Bachmann und Alisha Lehmann spielen gemeinsam im Schweizer Nationalteam - und sind ein Paar. Was haben sie der Welt zu sagen?
von Andreas Babst und Samuel Tanner, London 5.1.2019
NZZ am Sonntag: Ramona Bachmann, Alisha Lehmann, wie unterscheidet sich das Leben einer Fussballerin von dem eines Fussballers?
Alisha Lehmann: Hier in England ist der Unterschied recht klein.
Ramona Bachmann: Die Trainingszeiten sind vergleichbar. Ich muss um Viertel nach neun auf dem Trainingsgelnde von Chelsea sein, und ich bin nie vor funfzehn Uhr zu Hause. Ich weiss, die Tage sind immer noch kurzer als vielleicht bei Ihnen. Aber es ist mega professionell. Es fuhlt sich erstmals wie ein Job an. Und bei dir ist es gleich, oder?
Lehmann: Ja. Es beginnt beim Fruhstuck. Da gibt es Schrnke, voll mit Essen, alles frisch eingekauft. Man kann sich bedienen.
Und nach der Arbeit?
Bachmann: Eine Kollegin hatte einmal Kontakt mit Thibaut Courtois, der bis vor kurzem der Torhuter von Chelsea war. Sie fragte ihn, was er jeweils nach dem Training mache. Er sagte: Fifa spielen auf der Playstation. Fur die Mnner ist es nicht so leicht, die Freizeit zu gestalten, wie fur uns. Wir werden nicht dauernd angesprochen, sie schon. Sie sind mehr eingesperrt zu Hause.
Wie sieht Ihre Freizeit aus?
Lehmann: Wir kochen zusammen, wobei: Oft bestellen wir auch etwas oder gehen aus.
Bachmann: In die Stadt gehen wir nicht jeden Tag - wenn, dann machen wir Touristen-Sachen. Wir haben beide schon etwas gesehen, aber noch lange nicht alles.
Lehmann: Gerade gab es ein Winter Wonderland, das sie aufgebaut haben, mit Achterbahnen und so weiter, wie der Jahrmarkt beim Zibelemrit in Bern. Nur viel grsser.
Bachmann: Oder wir gehen in Museen. Oder wir shoppen.
Ramona Bachmann
Mit dem Fussballspielen begann Ramona Bachmann, 28, in Malters, einem Dorf nahe Luzern. Als Teenager wechselte sie nach Schweden zu Umea, spter spielte sie in Atlanta, Malm und Wolfsburg. Seit 2017 ist sie bei Chelsea in London unter Vertrag. Sie nahm mit der Schweiz an der WM 2015 und der EM 2017 teil, 2015 war sie als Weltfussballerin nominiert.
Alisha Lehmann
Erstmals fiel Alisha Lehmann im Jahr 2015 auf, als sie mit der Schweizer U 17 an der EM Silber gewann. Sie kommt aus Tgertschi im Kanton Bern. Bis im Sommer spielte die 19-Jhrige bei YB und absolvierte die Handelsschule. Dann nahm sie das Angebot von West Ham United an. Lehmann schliesst das letzte Jahr der Handelsschule im Fernstudium ab.
Im Mnnerfussball sind die Statussymbole klar: das Auto, die Kleider, die Freundin. Woran orientieren sich Frauen?
Lehmann: Ich glaube schon, dass es auch bei uns einen Fussballer-Lifestyle gibt, etwa was Schuhe angeht. Wenn ein Fussballer sie anhat, denkst du: Darin siehst du auch als Fussballerin gut aus. Oder?
Bachmann: Es ist nicht so extrem wie bei den Mnnern. Dafur fehlt uns auch das Geld. Wir knnen nicht alle teuren Dinge kaufen, wir sind individueller. Jede sucht ihren Weg.
Aber Sie orientieren sich an Fussballern, nicht an Fussballerinnen?
Lehmann: Ja, ich wurde nicht etwas tragen, nur weil es eine Fussballerin trgt. Fussballer haben alle einen hnlichen Style, sie tragen Markensachen, Balenciaga zum Beispiel. Aber das ist mir oft zu teuer.
Welche Rolle spielt das Geld fur euch?
Lehmann: Wir verdienen nicht so viel, bei mir sind es etwa funfzigtausend Franken pro Jahr. Deshalb uberlegen wir: Was spare ich? Das mussen die Mnner nicht.
Bachmann: Das ist sicher ein grosser Unterschied. Als ich junger war, schaute ich nicht aufs Geld. Aber jetzt schaust du, dass du etwas fur die Zukunft zur Seite legen kannst. Ich verdiene heute ein bisschen mehr als das Doppelte von Alisha.
Htte die Ramona Bachmann, die Sie heute sind, vor zehn Jahren gleich viel verdient?
Bachmann: Nein, sicher nicht. Seit die grossen Vereine investieren, ist viel mehr Geld im Spiel. Lyon, Wolfsburg, Chelsea, Arsenal - diese Vereine zahlen inzwischen gut. Es ist kein Vergleich zu den Mnnern, aber man kann gut etwas zur Seite legen.
Sie richten sich auch fussballerisch nach den Mnnern, richtig? Sie, Ramona Bachmann, sagten einmal, Ihr Vorbild sei Lionel Messi.
Bachmann: Ich hatte als kleines Mdchen gar nicht die Mglichkeit, den Frauenfussball zu verfolgen. Das ist besser geworden, er ist heute sichtbarer. Messi begleitete mich whrend der ganzen Karriere, Barcelona ist meine Mannschaft. Ich schaue nach jedem Spiel die Highlights auf Youtube - und spezifisch die Ballkontakte von Messi. Ich habe das Gefuhl, ich kann von ihm lernen.
Sie, Alisha Lehmann, sind neun Jahre junger. Hatten Sie weibliche Vorbilder?
Lehmann: Nein, auch eher Mnner.
Sie sagten einmal, Ramona Bachmann sei Ihr Vorbild gewesen. Das gilt nicht mehr?
Lehmann: Ich weiss nicht... Nein, Spass. Als ich junger war, nannte ich immer Ramona. Aber international habe ich mich an Mnnern orientiert.
ndert sich da etwas - in die Richtung, dass es jetzt auch weibliche Vorbilder gibt?
Bachmann: Ja, der Frauenfussball machte zuletzt einen Riesensprung, den grssten nach der Weltmeisterschaft im Jahr 2015, als wir Schweizerinnen erstmals etwas erreicht haben. Seither merke ich auf Social Media und an den Spielen, dass die Freude und die Fanbasis grsser geworden sind.
Sie bekommen jetzt Fanpost.
Bachmann: Ja, ich bekomme viele Briefe und Nachrichten auf Social Media. Mdchen schreiben mir: Du bist mein Vorbild. Oder sie sagen, dass es ihnen helfe, dass Alisha und ich als Paar so ffentlich sind.
Stehen weibliche Vorbilder im Fussball fur etwas anderes als mnnliche?
Bachmann: Wie meinen Sie das?
Verkrpern Fussballerinnen andere Werte als Fussballer?
Bachmann: Ich glaube, wir sind greifbarer, authentischer. Die Fans kommen an unser Spiel, stehen nachher an den Spielfeldrand - und bekommen zu neunzig Prozent ein Selfie. Bei den Mnnern ist das extrem schwierig, da stehen die Chancen bei einem Prozent. Das macht viel aus.
Soll der Frauenfussball uberhaupt werden wie der Mnnerfussball?
Bachmann: Ich weiss nicht, ob wir danach streben sollten. Die Fans, die wir haben, wollen gar nicht, dass wir wie die Mnner werden - die gibt es ja schon. Die finden es cool, dass wir greifbarer sind.
Haben Sie Kontakt zu Fussballern?
Bachmann: Nein, nicht gross. Bei Chelsea sagt man nicht mehr als Wie geht's? und Hallo und Tschuss. Es ist alles ziemlich oberflchlich.
Lehmann: Bei mir ist es dasselbe.
Bachmann: Manchmal weiss ich nicht: Wollen die Spieler keinen Kontakt - oder befurchtet der Verein, dass sie abgelenkt werden? Die Mnner bringen dem Klub mehr Geld, deshalb verstehe ich es teilweise, aber manchmal ubertreibt man es vielleicht auch. Es sind kleine Dinge, an denen du die Unterschiede merkst: Wir durfen die Sauna immer erst benutzen, wenn alle Mnner nach Hause gegangen sind.
In der Schweiz gab es neulich eine Diskussion, weil im FC Basel die Fussballerinnen an einer Gala des Klubs nicht wie die Mnner gefeiert wurden, sondern Lose verkaufen mussten.
Lehmann: Ich fand das bld. Die Frauen werden wieder in eine Ecke gestellt. Bei YB mussten wir vom Frauenteam jeweils Ballgirl spielen bei den Spielen der Mnner: an der Seitenlinie stehen, Blle reingeben. Umgekehrt wre das nie so.
Bachmann: Das wre lustig - einfach mal alles umkehren. Ich lief auch schon auf das Trainingsgelnde von Chelsea und dachte: Wie wre es, wenn wir mal in das grosse Gebude der Mnner gingen und die Mnner durften erst ab siebzehn Uhr in unsere Sauna. Nur als Vorstellung. Es wurde nie funktionieren. Aber wie gesagt, ich verstehe es auch.
Und doch passiert mit dem Frauenfussball gerade hnliches wie einst mit dem der Mnner: Werbevertrge, Fotoshootings, Spielerinnen werden zu Marken. Wird Frauenfussball ein Teil der Popkultur?
Lehmann: Ja, schon ein bisschen. Vor allem wegen Social Media.
Bachmann: Durch Social Media werden wir gepusht. Aber jede entscheidet selber, wie viel sie preisgibt.
Sie gaben Ihre Beziehung preis. Und die wird jetzt zum Thema.
Bachmann: Weil wir so offen sind, haben wir auch viele Anfragen. Gegen Weihnachten hatte ich das Gefuhl: Es wird jetzt wirklich viel. Der Fokus sollte ja eigentlich auf dem Fussball liegen.
Wie kam es dazu, dass Sie Ihr Privatleben ffentlich machten?
Bachmann: Ich habe Alisha gesagt: Meine Homosexualitt ist ffentlich, das musst du einfach wissen. Aber ich wollte ihr keinen Druck machen. Wie offen sie mit allem umging, hat mir sehr imponiert, sie hat unsere Beziehung relativ schnell ihrer Familie kommuniziert.
War es so einfach, Alisha Lehmann?
Lehmann: Ich habe mir nie Gedanken gemacht, dass jemand etwas Schlechtes denken knnte. Ich dachte, solange ich glucklich bin, kann ich es preisgeben. Ramona und ich sind beide sehr viel auf Instagram, und wenn du die Beziehung geheimhalten wolltest, knntest du fast nichts mehr posten.
Bachmann: Als ich 2015 meine Homosexualitt ffentlich gemacht habe, war es nicht nur fur mich selber.
Also ein bewusster Entscheid.
Bachmann: Ja. Einerseits, weil ich meine Gefuhle in der ffentlichkeit nicht verstecken wollte. Anderseits: Ich will das einfach normal machen - solange Menschen glucklich sind, ist es scheissegal, wie und was man lebt. Das will ich vermitteln. Ich will, dass meine jungen Fans denken: Mein Vorbild hat eine Freundin, das ist gar kein Problem, sie kann trotzdem Fussball spielen.
Ist es als Frau noch immer schwierig zu sagen: Ich liebe eine Frau?
Lehmann: Ja, schon. Irgendwie ist es kein Problem. Aber daruber reden ist dann trotzdem schwierig. Ich wurde nicht sagen, ich stehe jetzt fur immer auf Frauen. Ich bin einfach in Ramona verliebt. Als ich das meiner Mutter gesagt habe, war es zuerst komisch. Einen Tag lang war sie irritiert - sie habe es halt nicht erwartet. Einen Tag, dann war alles wieder gut.
Waren die Reaktionen im Frauenfussball anders als im privaten Umfeld?
Bachmann: Wir hatten eigentlich gar keine negativen Reaktionen. Dein Mami brauchte einen Tag, aber das ist okay.
Wie sind Sie zusammengekommen?
Bachmann: Wir haben uns im Nationalteam kennengelernt. Am Anfang haben wir uns gut verstanden, haben viel Freizeit zusammen verbracht. Und irgendwann wurden die Blicke ein bisschen anders, und wir merkten, dass mehr ist zwischen uns.
Wie sagt man so etwas einem Team?
Bachmann: Es ist nicht so, dass man vors Team steht und das kommuniziert. Mit der Zeit haben wir mehr Sachen zusammen unternommen. Und Alisha tauchte auf meinen Social-Media-Bildern auf, auch auf den privateren. Da fragten die anderen: Luft da was?
Gibt es spezielle Regeln, wenn man mit einer Teamkollegin zusammen ist? Ist man auch in der Kabine ein Paar?
Bachmann: Wir haben nie gross daruber geredet. Aber wenn wir beispielsweise die Nationalteam-Kleider tragen, she es unprofessionell aus, wurden wir Hand in Hand herumlaufen. Das machen wir nicht. Da verhalten wir uns wie alle anderen Kolleginnen, das ist kein Problem.
Ist es als Paar schwieriger, miteinander oder gegeneinander zu spielen?
Lehmann: Gegeneinander.
Bachmann: Gegeneinander.
Ramona Bachmann hat kurzlich mit Chelsea zwei Tore gegen Ihr West Ham geschossen.
Lehmann: Schn, werde ich immer wieder daran erinnert. Wenn man gegeneinander spielt, ist man zehnmal motivierter, man will unbedingt gewinnen.
Und Sie waren ehrlich sauer nach der Niederlage?
Lehmann: Klar, das ist ja mein Team. Wenn Ramona nicht zwei Tore gemacht htte, wre es vielleicht weniger schlimm gewesen.
Wieso entstehen Liebesbeziehungen anscheinend nur in Frauenteams?
Bachmann: Ich glaube, dass es das in Mnnerteams auch gibt, aber dass man nicht so ehrlich damit umgeht.
Lehmann: Dieses Gefuhl habe ich auch.
Man verliebt sich leichter, wenn man oft zusammen ist.
Bachmann: Fur mich persnlich ist es so, definitiv. Ich finde es sogar schwierig, Leute ausserhalb des Fussballs kennenzulernen. Du bist halt oft mit dem Team, weil es deine Freunde sind. An Partys gehst du vielleicht ein-, zweimal im Jahr, das passt halt nicht rein.
Ihre ehemalige Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg sagte kurzlich, das Team habe auch zusammen geweint. Sind sich Frauenteams nher als Mnnerteams?
Bachmann: Ich glaube, Frauen sind ein bisschen emotionaler, sie lassen Gefuhle mehr raus. Wir reden mehr - was auch wieder zu Problemen fuhren kann. Mnner regeln Konflikte im Team auf dem Platz.
Viele Fussballer sagen, im Mnnerfussball gebe es keine Freundschaften. Ist das im Frauenfussball anders?
Lehmann: Ich glaube schon.
Bachmann: Ich habe all meine Freunde durch den Fussball kennengelernt. In jedem Team, in dem ich gespielt habe, bin ich einer Person richtig nahegekommen, und es ist eine gute Freundschaft entstanden.
Auf Instagram bekommt man das Gefuhl, London mit seinen vielen Frauenteams sei eine grosse Fussballerinnen-WG, alle essen immer gemeinsam, shoppen gemeinsam. Stimmt der Eindruck?
Lehmann: Man sieht sich halt mal, aber man ist nicht Best Friends. Du siehst die vielleicht, machst eine Foto, redest zehn Minuten, postest es auf Instagram, und dann denken alle, man habe Zeit miteinander verbracht.
Bachmann: Social Media tuscht sowieso immer. Es sieht immer alles so gut aus.
Auf Instagram scheint es auch, als htten Sie hier in London die beste Zeit Ihres Lebens.
Lehmann: Die haben wir auch.
Bachmann: Das stimmt.
Ist jetzt gerade die beste Zeit Ihres Lebens?
Bachmann: Es passt schon alles gerade recht gut. Und wir wissen, dass es auch schnell wieder vorbei sein kann, da bekommt eine ein Angebot, man weiss ja nie.
Lehmann: Ich weiss nicht, was noch kommt, ich bin erst 19. Aber ich lebe ja im Moment. Und ich habe das Gefuhl, im Moment ist die Zeit meines Lebens.
Der Schweizer Frauenfussball oder: Neues Jahr, neue ra, neues Ziel
Der Dne Nils Nielsen ist der neue Schweizer Nationaltrainer.
Der Dne Nils Nielsen ist der neue Schweizer Nationaltrainer.
Im Wohnzimmer in Surbiton hngt noch die Dekoration der Silvesterfeier. Surbiton ist ein Vorort von London. Hier, im Reihenhaus, wohnt Ramona Bachmann, seit sie nach London zu Chelsea gewechselt ist. Im Sommer zog Alisha Lehmann ein, sie hat bei West Ham United unterschrieben.
Das neue Jahr ist fur den Schweizer Frauenfussball ein Neubeginn. In den vergangenen sechs Jahren ging es stets bergauf, nun aber findet die WM im Sommer ohne die Schweizerinnen statt. Die Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg wechselte nach Deutschland. Neuer Schweizer Trainer ist der Dne Nils Nielsen.
Er war kurzlich in London, er traf Bachmann und Lehmann und Lia Wlti, die dritte Schweizerin in London. Wlti spielt fur Arsenal, sie und Bachmann sind Stutzen des Schweizer Nationalteams, Lehmann knnte es werden.
Bachmann war 16 Jahre alt, als sie auszog, um Weltfussballerin zu werden. Sie brach die Lehre ab und spielte fortan in Schweden bei Ume. Es war ein riskanter Schritt, weil sich Bachmann zwar Profi nannte, aber der Frauenfussball ihren Anspruchen noch hinterherhinkte. berall, wo sie hinkam, fand sie: Eigentlich htten wir mehr verdient - nicht nur Geld, sondern auch Infrastruktur und Aufmerksamkeit. Sie dachte es in Schweden, in den USA und in Deutschland. 2016 wechselte sie zu Chelsea. Sie zhlt zu den besten Spielerinnen der Welt.
Bachmann ist zur Wegbereiterin fur jungere Fussballerinnen geworden. Sie war eine der Ersten, die von einer Nachwuchsfrderung des Schweizerischen Fussballverbandes profitierten, sie gehrte zum ersten Jahrgang im nationalen Trainingszentrum. Alisha Lehmann ist bereits ein Resultat dieser Verbandsfrderung: 2015 wurde sie mit der U 17 EM-Zweite.
An der WM 2015 outete sich Bachmann in einem Blick-Interview als homosexuell. Schon vorher hatte sie Bilder mit ihrer damaligen Freundin auf Instagram gepostet.
Das neue Jahr ist fur den Schweizer Frauenfussball eines mit wenig Aufmerksamkeit. Eine Teilnahme an einem grossen Turnier htte Medienprsenz garantiert. Fur den Frauenfussball in der Schweiz ist es nicht optimal, sagt Bachmann, es wurden sich jetzt weniger Menschen interessieren. Ich hoffe, ich kann im Klubfussball dazu beitragen, dass wir trotzdem in die Schlagzeilen kommen, sagt Bachmann. Sie will die Champions League gewinnen. (abb.)
Emma Hayes on @berger_ann signing: "Ideally we'd have done it in June but we had to do it now [when she was out of contract], in consideration that one of our GKs is leaving in the summer" [Lindahl's contract up then, also Telford]. No more winter ins/outs planned at @ChelseaFCW.